Dienstag, September 11, 2007

Kriminalgeschichte

Ein weiteres Beispiel, wie mit Artikeln gegen die Evolutionstheorie vorgegangen wird: Man reagiert sofort mit einem Evolutions-freundlicheren.

gesehen bei der "Osnabrücker Zeitung - Online" am 11.09.07 unter Feuilleton:

1. Bericht:

Feuilleton 11.09.2007 - Contra Nur eine Kriminalgeschichte? Von Christof Haverkamp Osnabrück. Wer kritiklos den Thesen von Richard Dawkins folgt, ist selbst schuld. Seine Streitschrift für den Atheismus ist zwar recht verständlich geschrieben, aber einseitig und in vielen Teilen unwissenschaftlich. Dawkins selbst spricht von einer "Feindseligkeit, die ich und andere Atheisten gelegentlich gegenüber der Religion zum Ausdruck bringen". Und so durchzieht seine Streitschrift fast durchweg ein überheblicher Ton. Der missionarische Atheist schlüpft in die Rolle eines Anklägers, der sich gegen Religionen generell wendet - und argumentiert daher anders als ein nüchtern abwägender Richter. "Gott", so schreibt er, sei eine "gefährliche Illusion". Und die Geschichte der Religionen, zumal des Christentums, reduziert sich bei dieser Sicht nahezu auf eine Kriminalgeschichte. Dawkins stellt jede Religion in ihrer schlechtesten Variante vor (etwa Taliban, marktschreierische Fernsehprediger oder die Evolutionstheorie abstreitende Evangelikale). Das ist einseitig und blendet viele kulturelle und soziale Leistungen des Christentums (wie die Abschaffung der Sklaverei) aus. Zugleich trifft diese Sicht historisch nicht zu, wie Arnold Angenendt in seinem brillanten 800-Seiten-Werk "Toleranz und Gewalt" im Detail belegt. Zwar ist Dawkins Wissenschaftler, aber er geht unwissenschaftlich vor. So zitiert der Autor Äußerungen von Albert Einstein zur Religion - aber nachprüfen lassen sich die Zitate nicht, denn Fußnoten, eigentlich selbstverständlich, fehlen. Oder Dawkins behauptet, die Wirksamkeit von Gebeten ließe sich nicht im Doppelblindversuch messen. Richtig. Jeder Theologe wird ihm bestätigen, dass diese Methode, mit der man die Wirksamkeit neuer Medikamente testet, hier nicht greifen kann. Ebensowenig lassen sich ja Liebe oder Nächstenliebe messen, ohne dass jemand deren Existenz abstreitet. Bei einer zentralen Frage stößt auch der Autor an Grenzen: Zwar lässt sich die Existenz eines Gottes nicht beweisen, aber ebenso wenig seine Nicht-Existenz. Das räumt zwar auch Dawkins ein, aber er versucht diesen Sachverhalt kleinzureden. Auffällig ist, wie leichtfertig Dawkins die Argumente Andersdenkender beiseite- wischt - als wolle er sich gar nicht so genau damit befassen. Doch wer mit wenigen Zeilen alles erledigt, muss sich vorwerfen lassen, unseriös zu sein. Faktisch weicht Dakwins einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Theologie aus. Dass er eine Organisation wie Scientology für eine intelligent gestaltete Religion hält, sei nur am Rande erwähnt. Wer so mit Schaum vor dem Mund schreibt, muss auch Kritik einstecken. Der anglikanische Theologe Alister McGrath hat daher ein Gegenbuch zum "Gotteswahn" verfasst - mit dem Titel "The Dawkins Delusion" ("Der Dawkins-Wahn"). http://www.neue-oz.de/information/noz_print/feuilleton/17467130.html?SID=ef8f76451934da13015b883b14337375

wurde ersetzt durch:

Feuilleton 11.09.2007 - Pro Darwinismus über allem Von Karsten Grosser Osnabrück. Richard Dawkins' Gott heißt Charles Darwin. Der britische Evolutionsbiologe schwört auf die Erkenntnisse des bedeutenden Naturforschers, erklärt sich die Welt ausschließlich mit natürlicher Selektion - und appelliert dabei an den rationalen Verstand. Gut so! Mit mutigen Worten und vielen diskussionswürdigen Thesen in seiner Streitschrift "Gotteswahn" schießt Dawkins eine deftige Breitseite gegen die verschiedenen Religionen. Auch wenn der Autor mit so manch zynischer Formulierung für Empörung bei Gläubigen sorgen wird, so stellt er der aufgeklärten Gesellschaft doch die berechtigte Frage, warum das Thema Religion ansonsten einen "beispiellosen Respektanspruch" verlangt. Mit seinem Buch liefert Dawkins eine herausfordernde und provokante Grundlage, die Existenz eines Gottes auf wissenschaftlicher Ebene zu hinterfragen. Den Gedanken an einen übernatürlichen Schöpfer lehnt Dawkins inbrünstig ab: "Heute können wir mit Sicherheit sagen, dass die Illusion der gezielten Gestaltung von Lebewesen genau das ist: eine Illusion." Mehr noch: Die Brite sieht die Evolution nicht nur als Grund für die Entwicklung von Leben im Allgemeinen und des Menschen im Speziellen, sondern stellt in leidenschaftlicher Sprache auch schlüssige Thesen auf, die über die darwinistische Entstehung der Arten hinausgehen. So argumentiert Dawkins, Moral und Ethik seien ebenfalls auf evolutionäre Prozesse zurückzuführen. Er postuliert: "Woher unsere heutige Ethik auch kommen mag, aus der Bibel stammt sie jedenfalls nicht." Und in der Tat: Die von Dawkins zitierten Bibelstellen über Tötungen und Misshandlungen verursachen ein Schaudern und stehen in starkem Kontrast zu den Zehn Geboten. Kein Wunder, dass Dawkins hier fragt, wer letztlich darüber entschieden hat, was für uns moralisch verwerflich ist und was nicht? Mit der Meinung, dass es zu jeder Moral die passende Bibelstelle gibt, dürfte Dawkins nicht allein dastehen. Für den Autor gibt es vier darwinistische Gründe für moralisches Handeln: Verwandtschaft, Gegenseitigkeit, Vorteile durch guten Ruf und Reklame für sich selbst. Bedauerlich ist nur, dass Dawkins an dieser Stelle das Thema Epigenetik völlig ausklammert. Dieser moderne Zweig der Wissenschaft beschäftigt sich mit der genetischen Weitergabe von Eigenschaften auf die Nachkommen und wird in Zukunft sicherlich noch für so manch erhellende Erkenntnis sorgen. Und das ist auch der Vorteil der Wissenschaft an sich: Sie liefert - dank neugieriger Forscher wie Darwin und Dawkins - Belege, die vermeintlich unerklärliche Lücken schließen. Dawkins beendet sein Werk mit: "Ich finde es spannend, in einer Zeit zu leben, in der die Menschheit an die Grenzen ihrer Verständnisfähigkeit klopft. Und was noch besser ist: Vielleicht entdecken wir am Ende, dass es keine Grenzen gibt." http://www.neue-oz.de/information/noz_print/feuilleton/17467129.html

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